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Das Internet der Heizung

Story

2021-11-11
  • Digitalisierung

Die Digitalisierung macht vor der Heiztechnikbranche nicht halt. Ganz im Gegenteil. Noch vor zehn Jahren ging es hauptsächlich um die Entwicklung, die Herstellung und den Verkauf von Heizgeräten. Das hat sich geändert. Heute gehören auch Softwareentwicklung, IT-Services und datengetriebene Geschäftsmodelle zum Alltagsgeschäft bei der Vaillant Group.

Darin liegen Chance und Herausforderung zugleich. Denn der Wandel von einem traditionellen Industrieunternehmen hin zu einem Industrie- und Technologieunternehmen vollzieht sich nicht von selbst. Er muss aktiv vorangetrieben werden, um erfolgreich zu sein. Der Wettbewerb und Branchengrenzen sind mit der Digitalisierung offener geworden. Partner von gestern sind vielleicht die Konkurrenten von morgen (oder umgekehrt). Und junge Unternehmen treten neu in den Markt ein, unkonventionell in ihrem Denken und flexibel in ihrem Handeln. Manchmal so sehr, dass sie eine ganze Branche verändern wollen.

Die Fähigkeit zu Produktinnovationen in kurzer Zeit ist mit der Digitalisierung wichtiger denn je geworden. Das API Developer Programme der Vaillant Group ist das jüngste Beispiel, wie weit sich Produkte und Services über bloße Heizgeräte hinaus entwickelt haben. Manchmal muss das Unternehmen Neuland betreten, wie auch in diesem Fall: ein rein digitaler Service, der in der Heiztechnikbranche noch kaum verbreitet ist.

Vaillant Group
Vaillant Group

Wir liefern unseren Kunden nicht nur einmalig unsere Heizgeräte und Connectivity-Produkte, sondern fortlaufend eine datenbasierte Dienstleistung.

Philipp Fudickar
Head of IoT Program

Wo die Digitalisierung stattfindet

Eine Minute Fußweg von der Vaillant Group Unternehmenszentrale in Remscheid entfernt steht das Bürogebäude 9. Im Untergeschoss arbeiten hier auf zwei großen Flächen rund 30 Programmierer, Software- und IT-Entwickler. Sie gehören zum sogenannten IoT-Team („IoT“ ist die englische Abkürzung für „Internet der Dinge“), das sich in erster Linie um IT-Services kümmert beziehungsweise diese neu kreiert. Wer klassische Büro­umgebungen gewohnt ist, merkt gleich, dass hier manches anders abläuft. Auf den zahlreichen Monitoren im Raum flimmern Zeilen farbigen Programmiercodes vor schwarzem Hintergrund. Manche Bildschirme stehen hochkant. An den Wänden kleben farbige Post-its, die den Status laufender Projekte und Aufgaben zeigen. Es herrscht eine spürbare Betriebsamkeit. Es wird viel geredet, sich ausgetauscht. Die Arbeit ist kollaborativ, die Atmosphäre informell. Ein Chefbüro gibt es nicht. Dafür zwei Kicker, IKEA-Sessel und Sitzecken mit bunten Kissen.

Was für den unbeteiligten Betrachter ein bisschen so aussieht wie eine Mischung aus einem Start-up und einem Co-Working Space, ist einer der Orte, an denen sich die digitale Transformation der Vaillant Group abspielt. Denn hier entstehen Produkte und Geschäftsmodelle, die sich nicht mehr nur auf die Herstellung von klassischen Heizgeräten beschränken. In einigen Fällen haben sie damit im Grunde unmittelbar gar nicht mehr viel zu tun. Im Bereich IoT geht es um neue Wachstumsfelder für die Vaillant Group. Hier ist die Software das Produkt.

Mirko Meier erklärt, was im Raum hinter ihm abläuft. Seine Jobbezeichnung ist Product Owner. Er arbeitet seit zehn Jahren bei der Vaillant Group. Aktuell ist er für das API Developer Programme verantwortlich. „Es geht darum, die Daten unserer Heizgeräte intelligent einzusetzen, um unseren Kunden einen Mehrwert zu bieten“, beginnt er zu erklären. „Unser Anspruch ist es, unseren Partnern sichere, zuverlässige und einfach zu bedienende API-Services zu bieten, damit sie unsere Heiztechnik in ihre Produkte und Dienstleistungen integrieren können.“ Das ist der Anspruch, den sich das rund 30-köpfige Entwicklerteam hinter dem API Developer Programme gestellt hat. Um zu verstehen, wie das funktioniert, muss man wissen, was API-Services sind und was sie ermöglichen.

API, schon mal gehört?

Vaillant Group
Vaillant Group

API steht als Abkürzung für den Begriff „Application Programming Interface“, also eine technische Schnittstelle für die Programmierung von IT-Anwendungen. Sie dient dem Austausch von Daten. Die eine Seite schickt eine Anfrage nach bestimmten Daten (in diesem Fall an die Vaillant Group), der Vaillant API-Dienst stellt diese Daten dann zur Verfügung.

„Wir alle kennen und nutzen wahrscheinlich täglich Funktionen, die auf APIs basieren“, erklärt Mirko Meier. Ein Beispiel dafür ist Google Maps. Google verfügt über Kartendaten und Umgebungsinformationen und bietet diese anderen Unternehmen zur Nutzung an. Google-Kunden wie etwa der Mitfahrdienst Uber, das Reiseportal Booking.com oder die Sport-App Runtastic nehmen dieses Angebot wahr. Zahllose weitere App-Entwickler tun dies ebenfalls, weil es günstiger und weniger aufwendig ist, als selbst Geodaten zu sammeln. „Man nimmt verfügbare Daten und integriert diese in das eigene Produkt, um dessen Funktionen zu erweitern und seinen Endkunden so einen Mehrwert zu bieten“, erklärt Mirko Meier. Das Google-Beispiel zeigt auch, dass das Geschäftsmodell für alle Seiten Mehrwert bietet. Schätzungsweise 1,5 Mrd Euro Umsatz macht Googles Mutterkonzern Alphabet jedes Jahr allein mit seinem Karten-API-Dienst.

Bei der Vaillant Group geht es mehrere Nummern kleiner zu als beim Tech-Konzern aus dem kalifornischen Silicon Valley. Aber die Geschäftsmodelle ähneln sich. Philipp Fudickar, Chef des IoT-Teams, beschreibt die Wertschöpfungskette: „Unsere Geschäftspartner erkennen für sich sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für bestimmte Gerätedaten, über die wir als Hersteller verfügen. Und sie wollen diese in ihren Produkten und Services verarbeiten, um so ihr Angebot für ihre Kunden attraktiver zu machen. Der Austausch erfolgt über unsere API-Plattform. Für die Vaillant Group bedeutet das: Wir liefern unseren Kunden nicht nur einmalig unsere Heizgeräte und Connectivity-Produkte, sondern fortlaufend eine datenbasierte Dienstleistung.“ Aktuell ist die Vaillant Group eines von wenigen Heiztechnikunternehmen in der Branche, die einen API-Service im Markt anbieten.

Für wen ist der API-Service gedacht?

Vaillant Group
Vaillant Group

Informationen von rund 67.000 konnektiven Reglern der Serien eRELAX, vSMART und Migo sind in den API-Dienst einbezogen. Die verfügbaren Informationen umfassen ein vielfältiges Spektrum: Außen- und Raumtemperatur, hinterlegte Nutzungs- und Zeitprofile, Verbindungsstatus, Warmwassertemperatur, Energieverbräuche und Betriebsstatus – das sind Parameter, die via API abgefragt werden können. Und der Umfang wächst weiter, damit Selfservice-Funktionen ermöglicht werden können. Dazu dienen Fehlercodes, Wartungsinformationen und weitere Systemdaten wie Vor- und Rücklauftemperaturen, Wasserdruck und Modulationsgrade.

Die Zielgruppen des Vaillant Group API- Service sind vom Projektteam klar definiert. „Der API-Service ist ausschließlich für Geschäftskunden gedacht“, beschreibt Product Owner Mirko Meier die potenziellen Kunden. „Schließlich benötigt man bestimmte Voraussetzungen oder es müssen bestimmte Bedarfe existieren.“ Erstens müssen Kunden eine eigene IT-Infrastruktur haben sowie über IT-Entwicklungsressourcen verfügen. Zweitens muss es diesen Geschäftskunden einen konkreten Nutzen bringen, die Heiztechnik in bestehende Systeme oder Services einzubinden. Drittens sind die Datenschutz-Grundverordnung und andere Datenschutzvorschriften generell jederzeit einzuhalten. Alle diesbezüglichen Bestimmungen werden auch immer vertraglich fixiert.

„Wir haben deshalb einen klaren Fokus auf Wohnungsbau- und Servicegesellschaften, Energieversorger sowie Smarthome-Entwickler gelegt“, ergänzt Philipp Fudickar. „Der Smarthome-Anbieter oder Fertighaushersteller mit Smarthome-Angebot hat nun ein Produkt, das die Heiztechnik mit integriert. Vielleicht im Unterschied zu seinem Wettbewerber. Eine Wohnungsbaugesellschaft oder ein Energieversorger unterhalten einen größeren Boilerbestand. Auf der Grundlage der Anlagendaten und der verfügbaren Diagnostik lassen sich Effizienzgewinne bei der Wartung und Instandhaltung realisieren. Gleiches gilt für Servicegesellschaften, die solche Leistungen wiederum für ihre Kunden aus der Immobilienwirtschaft erbringen. In einem Fall gab es auch einen Partner, der das API Developer Programme bereits genutzt hat, um seinen Kunden Informationen zu ihren Verbräuchen und ihrer Energieabrechnung aufzubereiten. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und werden künftig noch diversifizierter sein, und sie bieten Raum für kreative Geschäftsideen.“

Das Angebot der Vaillant Group richtet sich an Business-to-Business-Kunden, aber am Ende steht immer auch ein Mehrwert oder ein Mehrkomfort für Endkunden.

Vaillant Group
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Es geht darum, die Daten unserer Heizgeräte intelligent einzusetzen …

Mirko Meier
Product Owner Digital Services

Vaillant API-Service in 13 Ländern verfügbar

Das Vaillant Group API Developer Programme durchlief zunächst eine Pilotphase mit Partnern aus mehreren europäischen Ländern. Mittlerweile ist der Service in 13 Ländern regulär verfügbar, und die Zahl der Partner ist auf 40 angewachsen. Da es sich nicht um ein klassisches Produkt handelt, das physisch hergestellt, transportiert und installiert werden muss, erfolgte die Markteinführung nicht im üblichen Verfahren, bei dem das Produkt von Markt zu Markt kleinere technische Anpassungen erfährt und der internationale Marktstart deshalb mehrere Monate dauert.

Die technische Verfügbarkeit der Plattform ist zentral von der Vaillant Group garantiert. Und es gibt drei standardisierte Tarifpakete: Smart Home Integration, Diagnostics und Insights. Die nationalen Vertriebsgesellschaften der Vaillant Group bieten den API-Service auf dieser Basis in ihren jeweiligen Märkten und innerhalb der jeweiligen regionalen Vertriebsstrukturen an. Die Länder haben dabei ein hohes Maß an Freiheit. Denn die Märkte haben unterschiedliche Potenziale. Die Verbreitung und Nutzung von Reglern und Heizgeräten, die mit dem Internet verbunden sind, ist in einigen Ländern weiter fortgeschritten als in anderen. Besonderes Augenmerk liegt aktuell auf Frankreich, auf Großbritannien und auf den Niederlanden, da hier Heizgeräte am häufigsten mit dem Internet verbunden werden. Darauf folgt Deutschland als weiterer Markt mit perspektivischem Potenzial.

eRELAX / vSMART / Migo

Vaillant Group
Vaillant Group

Um die Heizung mit dem Internet zu verbinden, benötigt man ein sogenanntes Gateway. Die Serien eRELAX, vSMART und Migo sind Regler und Gateway in einem. Alle drei Produktserien sind in den API-Dienst einbezogen. Der Besitzer kann so die Heizung über Apps vom Smartphone aus steuern; außerdem kann die Heizung – falls man dies gestattet – Geräteinformationen direkt an weitere Empfänger liefern, beispielsweise an den Kundendienst von Vaillant oder Saunier Duval oder an einen Handwerker, der das Gerät wartet.

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